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Science-Fiction
Seit 2009 schreibe ich gelegentlich Science-Fiction-Geschichten und Shortstories mit philosophisch-wissenschaftlichem Hintergrund. Zwei Kostproben findet ihr weiter unten.
Meinen Roman "Der Server von Terrelion" könnt ihr unter der ISBN: 978-3-96051-714-6 in allen Buchhandlungen und im Online-Handel bestellen.
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Mitte des 21. Jahrhunderts macht sich zum ersten Mal ein Team von Astronauten auf den Weg zum Mars. Doch schon im Vorfeld der Mission geschehen etliche mysteriöse Vorfälle, die auf eine Manipulation dieses bedeutenden Projektes hindeuten. Hier ist offensichtlich ein Unbekannter mit großer Entschlossenheit am Werk, der sogar vor Mord nicht zurückschreckt. Viel zu spät erkennen die Beteiligten die wirkliche Tragweite der Ereignisse und erleben eine seltsame Reise, die ihren Blick auf die Wirklichkeit für immer verändert.
Ein fesselnder Roman über die Menschheit, die Spiritualität und unvorstellbare fremde Intelligenzen.
Das Pendel
von Thorsten Imkamp
Gedanken quälen mich. Ich denke an das Licht. An seine physikalische Existenz, seine Manifestation in der Realität, sein Wesen. Was macht das Licht zu etwas Besonderem, dem sogar Raum und Zeit sich unterzuordnen scheinen?
Ich sitze am Schreibtisch, Berge von Papier liegen vor mir, ein Stapel Bücher verdeckt mir die Sicht zur Seite. Der Bildschirm meines Laptops starrt mich an. Ich denke. Ich denke eine gefühlte Ewigkeit und meine Gedanken schweifen ab. Ich versuche mich zu konzentrieren, aber es geht nicht mehr. Ich hänge fest und das seit Tagen, vielleicht auch Wochen. Die gefühlte Zeit spielt für mich keine Rolle mehr, nur noch mein Ziel. Ich habe es klar vor Augen, ich klammere mich daran fest. Ganz nah bin ich dran, an der Lösung des Problems, die Gleichungen scheinen zu passen. Ist es so einfach? Oder steckt ein katastrophaler Denkfehler in meiner Argumentation? Werden die Kollegen sich auf dem Kongress die Mäuler zerreißen? Oder ist der Durchbruch nah?
Ich bin müde. Ich merke, wie meine Gedanken wieder abschweifen. Die Schläfrigkeit überfällt mich. Diese Stille! Diese Stille meines Arbeitsraumes lenkt mich ab. Ich höre hin- und höre nichts! Meine Augenlider werden schwer. Jetzt zucke ich zusammen. Tatsächlich war ich kurz eingenickt. Jetzt bin ich wieder hellwach. Ich versuche mich zu konzentrieren, die Gleichungen auf dem Bildschirm fressen sich in meine Augen. Ich schließe die Augen und sehe die Gleichungen trotzdem vor mir, wie einen Screenshot.
Ich vergesse alles andere um mich herum, die Gleichungen tanzen im Kreise vor mir. Ich halte sie fest, ich sauge sie auf. Die Indizes verschwimmen, ich werde wieder müde. Nein, nicht wieder abdriften denke ich mir und ich presse die Augen zusammen. Jetzt kommt er der letzte Schritt, die geniale Idee. Sie kommt von irgendwoher, aus allem und dem Ganzen. Sie ist einfach da, ganz plötzlich ohne Ankündigung. Ich reiße die Augen auf, nehme meinen Stift in die Hand und schreibe auf den nächstbesten Zettel. Er füllt sich mit kryptischen Symbolen, verschwommenen Indizes. Ich schmiere herum, streiche durch, denke schneller als ich schreiben kann. Chaos, Anarchie im Kleinen. Doch ich sehe die Ordnung, die Struktur, die Ästhetik. Es ist Schönheit, die sich da manifestiert. Es ist Schönheit, die die Welt zusammenhält, es ist Beziehung, Liebe, Hingabe, Emotion. Da war sie, die Antwort auf die Frage, die mich immer gequält hatte.
Ich bin beeindruckt. Von mir selbst. Von meiner Genialität. Und vom Licht, das alles beherrscht. Meine Gedanken sind im Himmel, auf dem Olymp, bei den Göttern. Und ich bin glücklich. Ja, jetzt habe ich es endlich. Das lange Warten hat sich gelohnt. Ich bin selbstsicher, grinse arrogant auf meinen Laptop. Ich blicke auf den Zettel mit dem kreativen Chaos… Und dann bin ich wieder da, zurück vom Olymp. Ich bekomme Zweifel. Ich bin starr vor Schreck und leichenblass geworden. Da passt etwas nicht! Ich weiß nicht genau wo, aber irgendetwas beunruhigt mich. Nein, das ist nicht die Weltformel! Sie kann es nicht sein, weil es sie gar nicht gibt. Das waren meine eigenen Worte. Und ich schaue in das Chaos und versuche es zu überblicken. Jetzt sehe ich es deutlich vor mir. Es ist ein Vorzeichen. Oh nein, es ist das Vorzeichen dort unten! Hektisch nehme ich den Zettel, kritzele weiter darauf herum. Bald ist nichts mehr lesbar. Ich reiße einen weiteren Zettel an mich. Er ist leer. Weiße, bedrohliche Leere liegt vor mir. Ich fange an zu schreiben, zu denken, zu rechnen.
Aus der Leere wird Chaos, Kreativität, der Neubeginn. Ein neuer Ansatz macht sich breit in meinem Kopf. Ich übersetze ihn in mathematische Gleichungen. Sie sind kompliziert, ich finde keine Lösung. Ich mache einen intuitiven Ansatz. Ich bekomme das Integral nicht hin, nehme den Computer zur Hilfe. Auf meiner Stirn bilden sich Schweißtropfen. Ich bin im Zweifel, habe Angst. Der Computer spuckt die Lösung aus. Sie sagt mir nichts. Ich schließe die Augen, habe die Lösung vor mir. Ich sehe sie deutlich, wie bei einem Screenshot. Was ist denn das, verdammt? Das kann doch unmöglich stimmen. Ich schweife ab, kann mich nicht mehr konzentrieren und werde wieder müde. Ich zucke zusammen, ich bin kurz eingenickt. Aber jetzt bin ich wieder da. Ich konzentriere mich, reiße mich zusammen. Ich wachse über mich hinaus. Ein neuer Gedanke kommt zu mir, von Irgendwo, aus dem Ganzen. Ich erkenne einen Zusammenhang. Es könnte passen. Ja, es ist schön, geordnet, elegant. Sollte die Welt vielleicht doch…
Ja, natürlich! Das ist es! Ich reiße den Zettel an mich, lasse den Stift mit unglaublicher Geschwindigkeit darüber fahren. Ich denke rasend schnell, erheblich schneller als ich schreiben kann. Ich lächle süffisant. Ich mache die Siegerfaust. Jetzt passt es wirklich, ja! Ich habe es! Ich schieße mit meinen Gedanken hoch, auf den Olymp, zu den Göttern. Das Universum-ich betrachte es aus der Vogelperspektive! Es ist einfach und doch schön! Es ist Chaos, Ordnung, Beziehung, Lebendigkeit, Ästhetik, Mathematik. Und ich sehe, dass es sehr gut ist. Ich bin zufrieden, glücklich, überschwänglich. Und ich schließe die Augen, dieses Mal mit einen anderen Gefühl. Ich bin der Schöpfer. Dieses Universum kenne nur ich. Aber ich werde es den Anderen sagen. Und sie werden vor Neid erblassen. Ich freue mich auf meinen neuen Status. Ich bin der Guru, der Entdecker, der neue Stern am Himmel der Kosmologie. Und für mich doch der Schöpfer, ja ich bin es, ohne Zweifel. Das Pendel meiner Selbstachtung schlägt weit aus, mein Selbstvertrauen ist grenzenlos. Und ich bin das Pendel, das Universum, die Ewigkeit. Ich presse meine Augen zusammen, bin auf dem Höhepunkt der Ekstase. Ein Drogentrip, von dem man nicht zurückkehren will. Meine Gedanken schweifen ab, sie beißen sich fest. Ich öffne meine Augen, sehe auf den Zettel. Ich beuge mich nach vorne und schlucke trocken herunter. Meine Kehle wird plötzlich knochentrocken. Ich bemerke ihn. Ich sehe ihn jetzt. Den dicken Fehler meiner Argumentation, den ich vorher nicht bemerkt habe. Oh nein, denke ich. Das Pendel wird langsamer. Innere Demut überwältigt mich. Es kann nicht stimmen. Ich reiße den Zettel durch. Mein Kopf färbt sich rot. Nein, ich bin nicht der Schöpfer, ich bin nichts. Ich sehe alles aus der Froschperspektive. Dann sehe ich nichts mehr und schließe die verdammten Augen. Ich bin müde. Müde in jeder Hinsicht. Das Pendel wird noch langsamer. Es kommt allmählich zur Ruhe. Dann hält es an und die Gedanken schweben davon. Meine Kräfte schwinden und verlassen mich. Ich bin zu müde, um das Pendel wieder anzustoßen. Ich will nicht, ich kann nicht. Und ich sehe das Licht aus der Ferne. Es kommt mit Lichtgeschwindigkeit auf mich zu. Und Gedanken quälen mich. Ich denke an das Licht. An seine physikalische Existenz, seine Manifestation in der Realität, sein Wesen…
Alien- Alkokalypse
von Thorsten Imkamp
„Alkohol ist keine Lösung, sondern nur ein Teil davon!“
Der Mann, der dies sagte, musste es wissen. Das war schließlich nicht nur in der Chemie eine korrekte Aussage! Denn wie sollte man die Außerirdischen sonst verstehen? Nur mit einem bestimmten Promillewert im Blut konnte man einen zumindest gefühlten intellektuellen und emotionalen Status Quo mit ihnen erreichen. Dann fühlte man sich ihnen nicht mehr hilflos ausgeliefert, sondern ebenbürtig. Zumindest hatte man die Illusion dessen. Sie können problemlos Lichtjahre durch das Weltall fahren. Na und? Die Relativität der Raumzeit hilft ihnen dabei. Das schaffen wir auch! Technische Überlegenheit? Kein Thema, oder? Diese Hürde werden wir überwinden! Sie können eine fremde Sprache in wenigen Tagen erlernen und mit uns kommunizieren? Das können viele Menschen auch. Wenn sie es wollen zumindest. Wir sind Kinder des gleichen Universums. Wir müssen nur noch eine Zeitlang Evolution überstehen, dann überholen wir sie. Ein Kinderspiel! Mit einem bis zwei Promille Alkohol im Blut klingt das alles lächerlich. Und in geologischen Zeitskalen sowieso. Es ist doch schließlich alles nur eine Frage der Zeit, oder? Verdammte Langsamkeit der Evolution!
Richard Garner saß im Schaukelstuhl auf der Veranda, nahm den letzten Schluck Whiskey aus seinem Glas und schaute in den Himmel. Sein Blick wanderte entlang der Gürtelsterne des Orion. Mintaka, Alnilam, Alnitak…nur Namen, Konventionen! Erfunden von Geschöpfen, die das Wesen von allem nie verstanden hatten und doch wussten, dass sie ein Teil all dessen waren. Lässig strich Garner sich durch seinen Drei-Tage-Bart.
„Du solltest deinen Drogenkonsum reduzieren, Richard!“
Der Gesichtsausdruck von Ben-Alion 23 war ernst, in dem Sinne, wie man ihn als Mensch interpretieren würde. Wenn man überhaupt von einem Gesicht sprechen konnte bei diesem fremden Wesen. Aber als Mensch tat man das unweigerlich, man stellte sich das so vor. Vielleicht nur aus Gewohnheit. Schließlich war man ein Gefangener seines Denkens, ein Gefangener der eigenen Entwicklung und seiner Erfahrungen. Richard Garner sah ein wenig mitleidig in das „Gesicht“ seines Gegenübers in dem Wissen über dessen Überlegenheit in jeder Hinsicht. Und doch verfehlte die Droge ihre Wirkung nicht. Garner fühlte sich besser. Seit Wochen saßen die Außerirdischen fest in diesem gottverdammten Kaff in der Wüste von Kalifornien und versuchten bisher erfolglos, ihr Raumschiff zu reparieren.
Garner lachte laut. „Was verstehst denn du von Whiskey und seiner Wirkung, 23? Über diese Phase der Entwicklung seid ihr schon lange hinaus, oder? Gab es auf eurem Heimatplaneten nie Substanzen, die euer Bewusstsein erweitern oder zumindest Emotionen beeinflussen konnten?“
„Oh doch Richard! So etwas ist im Universum weiter verbreitet, als ihr ahnt. Vielleicht ist das sogar etwas ganz Wesentliches. Wer weiß das schon? Vielleicht benötigt jede Intelligenz bewusstseinsverändernde Substanzen für die Entwicklung der Kreativität!“ „Das ist nicht dein Ernst, 23 oder?“
„Mein voller Ernst Richard! Viele Substanzen ändern die Sicht auf die Wirklichkeit. Aber diese von euch wahrgenommene Wirklichkeit ist eine, die längst nicht alles darstellt, was es gibt. Wir beobachten euch Menschen jetzt schon einige Wochen seit unserem Unfall. Ihr seid interessante Wesen, was euer Verhalten betrifft. Irrational, egoistisch, kriegerisch. Und doch habt ihr das Potential zu so wunderbaren Dingen wie Liebe, Toleranz und Hilfsbereitschaft. Schau dich selbst an, Richard! Seit du mich kennst, misstraust du mir. Ich bin in deinen Augen der Fremde, der Alien, der die Erde erobern will. Ich sehe es dir den ganzen Tag an, dass du mich lieber heute als morgen los wärst. Erst am Abend, wenn du eine halbe Flasche Whiskey geleert hast, setzt du dich zu mir auf die Veranda und sprichst zu mir fast wie zu einem Freund, den du schon lange kennst. Aber dafür brauchst du die Substanz. Sie bringt dich dazu, dein Wesen zu verändern!“
Der alte Mann mit dem Drei-Tage-Bart schien gar nicht richtig hin zu hören. „Versuch doch auch mal, 23!“ Garner holte die inzwischen halbleere Whiskeyflasche aus der Ecke und füllte sein Glas bis zum Rand voll. Dann reichte er es seinem fremden Besucher. Ben-Alion 23 machte eine abweisende Bewegung.
„Probiere es doch einmal, nimm das Glas zwischen deine gallertartigen Hände, oder wie du die Dinger nennst!“ Garner bekam einen Lachanfall. „Hände, haha! Hände! Wie wäre es mit Flossen?“
23 schwieg und sah Garner mitleidig an. Zumindest interpretierte Garner das so. Man interpretiert immer alles so, wie man es für richtig hält: Gesichtsausdrücke, Gesten, Worte und Taten. Und nicht selten projiziert man doch nur sich selbst in den anderen hinein.
Garner schlürfte seinen Whiskey, bis das Glas bis auf ein Viertel leer war. Dann schluckte er den Rest auf einmal halb herunter und gurgelte wie ein fleischgewordener Springbrunnen. Danach spuckte er den Rest aus und lachte laut und albern. „Floschen, äh…Flossen haha…!“
23 schwieg weiter.
„Jetzt lach doch auch mal, 23! Hier nimm einen Schluck, der hilft dir vielleicht!“
Garner bemühte sich, die Flasche in die Hand zu bekommen und fiel dabei fast aus dem Schaukelstuhl.
„Eigentlich benötigst du die Hilfe, Richard!“
„Ich, haha! Von dir vielleicht? Einem schleimigen, lurchartigen UFO-Unfall?“
Garner lief rot an vor Lachen. Er stand auf und taumelte eine Zeitlang über die Wiese seines Gartens. Er hob den Kopf und starrte in den Himmel, der sich leicht zu drehen schien. Er drehte sich scheinbar endlos und mit ihm die Gedanken. Dann fiel Garner kopfüber auf die Wiese. Dort blieb er reglos liegen. Ben- Alion 23 stand auf, ging auf Garner zu, packte ihn mithilfe seiner armähnlichen Extremitäten über seinen lurchartigen Körper und brachte ihn wie jeden Abend auf die Schlafcouch. Dann ging er wieder hinaus, zog die Verandatür hinter sich zu und ging fort, in dem Wissen, am nächsten Morgen zurückzukehren um dann wieder das Monster zu spielen. Das Monster im Kopf eines Trinkers, der sich seiner Probleme nur dann bewusst war, wenn die Droge ihm seine Gedanken nicht versüßte. Und der seine Intelligenz missbrauchte um seine Mitmenschen immer wieder zu warnen- vor der Alien- Apokalypse in seinem Kopf.
